Die Köddinger Maurersprache

Ein Bericht von Ursula und Otto Traum, Feldatal-Köddingen
 

 

In den hessischen Blättern für Volkskunde Bd. 11, Jahrgang 1911, wird über die Köddinger Maurersprache berichtet.

 

Die Köddinger Maurer und Zimmerleute arbeiteten früher in der weiteren Umgebung bei fremden Bauherren. Um sich bei diesen Leuten ungestört unterhalten zu können, entstand in dieser Zeit die Köddinger Geheimsprache, die „Maurersprache“. Heute gerät sie leider immer mehr in Vergessenheit.  

 

Die Maurer und die Zimmerleute, auch die  Bretterspatzen (die Schindler), gingen unter der Leitung ihres „Schütz“ (Chefs) die ganze Woche hindurch auswärts zur Arbeit. Sie wurden von den Bauherren verköstigt und übernachteten auch sehr oft dort. Man wollte sich gerne unterhalten, ohne dass der Fremde es verstehen konnte, die Unterhaltung drehte sich ja zum größten Teil um ihn, um das Essen in seinem Hause, um die Arbeitsbedingungen, um den Schnaps, den man gerne trinken wollte, aber oft nicht bekam. Dies alles sollte der Arbeitgeber aber auf keinen Fall verstehen, denn es waren oft keine Schmeicheleien; denn Arbeitskräfte gab es damals genug und keiner konnte in diesen schlechten Zeiten seinen Arbeitsplatz durch ein loses Mundwerk riskieren.

 

So bediente man sich der „Moroalersproch“ (der Maurersprache). Sie ist ein Gemisch aus jiddischen Wörtern, aus Rotwelsch, Italienisch, Französisch und Lateinisch. In der Rheinpfalz gab es eine Händlersprache mit vielen ähnlichen Wörtern. Eine Überlieferung sagt, dass sich vor vielen Jahren eine Gruppe von Pfälzer Auswanderern in Köddingen nieder gelassen haben soll. Viele Wörter sind auch von den Köddinger Bauhandwerkern selbst erdichtet worden. Wie es dazu kam, dass diese Geheimsprache gerade in Köddingen ihr Zentrum hat, ist wohl so zu erklären: Wahrscheinlich brachten die vielen auswärts arbeiteten Bauhandwerker Teile dieser „Tarnsprache“ mit und erweiterten sie, wie sie ihren Bedürfnissen entgegen kam. Auch kann die Händlersprache der ausgewanderten Volksgruppe aus der Pfalz ihre Spuren hinterlassen haben.

 

Es ist kaum möglich, alle Worte und Redensarten, die heute noch bekannt sind, hier aufzuzählen. Deshalb hier nur einige Beispiele: In Köddingen weiß man was gemeint ist, wenn vom „Moss“ die Rede ist, nämlich der Hausfrau. Die Kinder sind die „Witze“, der Ausdruck „Witze“ ist voll in den Köddinger Dialekt übernommen worden, man nennt deshalb die Köddinger allgemein mit dem Spitznamen die (Kerringer Witze). „Fenestern“ heißt schauen und „Heallmächer“ ist das Fenster. „Des Moss fenestert om Heallmächer“ heißt also: die Frau guckt aus dem Fenster. Die Oma ist das „Dillemoss“, der Lehrer ist der „Witzebeklärer“, der Begleiter der Kinder, den Pfarrer nennt man den

„Plawang“, die Hebamme (Kinderfrau) ist das „Witzemoss“. Das Brot nennt man „Stoackmann“, die Wurst heißt „Bennel“, zu Fleisch sagt man „Boser“ und „moriente“ heißt essen. „Mir ho Stoackmann, Bennel eann Boser gemoarient“ heißt demnach: Wir haben Brot, Wurst und Fleisch gegessen. Wenn es gut geschmeckt hat, sagt man: „Deas Moss hot sepp gefinkelt“ – Die Frau hat gut gekocht. Kaffee trinken heißt: „Grittche schnächen“. Wenn jemand Alkohol trinkt, sagt man: „he schassket“, ist er betrunken, so „eass he beschassket“.

 

Der Hering ist der „Auebatscheler“, denn unter „Aue“ versteht man Wasser. Der Tisch Ist der „Aldoar“, die Kartoffeln sind die „Daffets“, Milch heißt „Latt“. Das junge Mädchen Ist das „Fohle“. „Des Fohle heft Auebatscheler ean Daffets off de Aldoar“, heißt also: Das Mädchen stellt Hering und Kartoffeln auf den Tisch. Weitere gebräuchliche Ausdrücke sind: „Bansch“ für Butter, „Gletsch“ für Seife, „Serweler“ für Messer, „Jächer“ für Salat, „Schweawel“ die Katze, „Nies“ die Nacht, „Jahsche“ das Bett, „Schpruhse“ die Hose, „Jangst“ der Hund, „Scheel“ der Käse, „Fietz“ der Wein, „Bremmlerfietz“ der Äppelwein. Es gibt noch viele dieser Ausdrücke, es würde jedoch den Rahmen dieser Info sprengen, alle Worte aufzuzählen.

 

Eine besondere Redensart: „Aich det quatter lauksen dies met dem Schweawel bikuase, wann aich e Nies met dem seppe Fohle eam Jahsche gehefte kennt“ – Ich würde vierzehn Tage mit der Katze fressen, wenn ich eine Nacht mit dem hübschen Mädchen im Bett liegen könnte.

 

So wie diese gibt es noch einige Redensarten, die in Köddingen geläufig sind oder waren. Wer nun die vielen Ausdrücke und Redensarten der „Köddinger Maurersprache“ beherrscht, kann sich mit anderen Eingeweihten unterhalten, ohne dass ein Außenstehender den Sinn der Unterhaltung verstehen kann.

 

Im Jahre 1958 bei der Kirchenrenovierung in Köddingen trug sich unter Beisein des damaligen Pfarrers Grün folgendes zu: Die Zimmerleute schleppten Bauholz und der 81-jährige Altzimmermeister Karl Schneider sagte folgende Worte: „Inse Plawang kennt aach ewink Lenche gewerche, oawwer kennt he eam Usbesch e Schächtelche Alwoase gehoann“ – Unser Pfarrer könnte auch auch ein wenig mitarbeiten, oder im Gasthaus einen Kasten Bier holen. Daraufhin sagte der Pfarrer zum Bürgermeister Schneider: „Ich glaube  der Opa hat gerade etwas über mich gesagt“. Nachdem ihm der Satz übersetzt worden war, holte der Pfarrer einen Kasten Bier und hat fleißig geholfen Holz zu tragen.  

Diese Begebenheit war für Pfarrer Grün die erste Begegnung mit der Maurersprache. Es interessierte ihn so sehr, dass er einige kundige Männer zusammen rief um an mehreren Abenden unter seiner Regie ein kleines Vokabelheft zusammen zu stellen.

 

Diese Aufzeichnungen wurden dann in den Mitteilungen des Geschichts- und Museums Vereins Alsfeld abgedruckt.

 

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